Die Empfängnis

Das weiße Blatt

Die Empfängnis beginnt mit der Begegnung von Ei- und Samenzelle. Die Eizelle ist mit Cytoplasma angefüllt und mit ca. 1mm Durchmesser dick, rund und unbeweglich. Die Spermien haben möglichst wenig Cytoplasma und sind auf DNA zur Informationsweitergabe und Mitochondrien für die Fortbewegungskraft konzentriert. Es gibt so eine Vorstellung, dass das erste Spermium, das die Eizelle erreicht, verschmilzt. Andere in vitro Beobachtungen berichten davon, dass die an sich unbewegliche Eizelle auf wundersame Weise beginnt sich um sich selbst zu drehen. Von derselben Kraft erfasst, folgen die Spermien dieser Bewegung wie in einem stundenlangen Tanz....

Genetisch betrachtet bezeichnet die Empfängnis den Übergang vom elterlichen zum kindlichen Genom. In zwei Wellen umfassender epigenetischer Umgestaltung werden epigenetische Signaturen zweimal weitgehend gelöscht und neu gesetzt. Das Blatt wird wieder weiß.

Durch die großen Umgestaltungsprozesse wird der perikonzeptionelle Zeitraum als besonders empfindlich für epigenetische Prägungen angenommen.

Neben den Auswirkungen der elterlichen Lebensstile rund um die Konzeption, stehen die Kurz- und Langzeitrisiken der assistierten reproduktiven Technologien (ART) im Fokus der Forschung. Sie fallen genau in das sensible Fenster epigenomischer Umgestaltung. Für assistiert empfangene Kinder sind erhöhte Risiken für beispielsweise Frühgeburtlichkeit und Geburtsdefekte insbesondere Herzfehler, metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen sowie chromosomale Beeinträchtigungen und Imprinting-Störungen beschrieben worden. 

Eine große Anzahl an Studien in Tiermodellen berichten über ART-induzierte potentielle epigenetische Veränderungen einschließlich DNA-Methylierung in Plazenta und Nachkommenschaft. Auch für menschliche Embryonen berichten Reviews von Studien, die veränderten DNA-Methylierungs- und Genexpressionsmustern in Zusammenhang mit ART fanden. Der Diskurs über die Bedeutung dieser Ergebnisse ist in vollem Gange.

Epigenetisch betrachtet ist die Zeit rund um die Konzeption nach heutigem Wissenstand wohl die wunderbarste und verwundbarste Lebensphase des Menschen. Das Chromatin ist so offen wie der Himmel, die DNA liegt frei, wo mit Liebe gegossen wird, kann Liebe wachsen. 

Referenzen und mehr dazu finden Sie in dem Artikel "Von der Empfängnis bis zur Geburt" unter dem Menüpunkt Artikel sowie dem dort genannten Buchkapitel "Traces of the invisible world of becoming - Epigenetic correlates of prenatal psychology".